Das Wort Digitalisierung ist seit Jahren in den Medien, auf Kongressen, in politischen Erklärungen und natürlich auch in allen Unternehmen präsent. Digitalisierung dazu zählen wir auch das jüngste buzzword, KI bzw. künstliche Intelligenz, verändert vieles, löst Ängste ebenso aus wie es unbestimmte Erwartungen schürt. Der Digitalisierungsprozess ist vordergründig ein technischer darüber hinaus aber auch ein soziologischer, ein kultureller und ein ökonomischer. Alltäglich ist beobachtbar, dass die Einstellung zu den modernen Techniken zum Teil die Generationen trennt: Auf der einen Seite befinden sich die nach 1980 geborenen, oft als digital Natives bezeichnet. Sie wurden und werden mit digitalen Geräten groß und können sich ein Leben ohne sie nicht vorstellen. Auf der anderen Seite stehen die Offliner oder die digitalen Verweigerer. Sie haben oftmals den Wunsch oder die Hoffnung, dass alle der Digitalisierung geschuldeten Veränderungen im Unternehmen und damit am eigenen Arbeitsplatz erst einsetzen, wenn das persönliche Arbeitsleben beendet ist.
Die hier in ihren Extremen benannten Einstellungen zum Thema lassen oft die grundlegenden Fragen vermissen: Was ist Digitalisierung und auf welchen signifikanten Veränderungen basiert sie? Deswegen steht am Anfang der Überlegungen der Versuch einer ersten begrifflichen Beschreibung der weitere folgen werden: Digitalisierung löst alle bisher verwendeten Zeichen, also Buchstaben, Bilder und Töne auf. Sie werden auf die elementarste Ebene von 0 und 1 zerlegt, die in unendlichen Rekombinationen auftreten. Ein weder-noch bleibt hier ebenso ausgeschlossen wie die Gleichzeitigkeit der Kombinationen von 0 und 1. Digitalisierung bedeutet also immer die Feststellung eines und nur eines anderen möglichen Zustandes, der nicht der Fall ist: Wenn 0, dann Nicht-1, und umgekehrt Die Daten werden von Algorithmen in der menschlichen Wahrnehmung zugänglichen Formate transformiert. Auf dem Bildschirm treten uns die Daten als Schrift, Bilder oder Töne gegenüber.
Infolge der radikalen Reduktion bzw. der Beschränkung auf die einfachsten Formen der Informationsverarbeitung entsteht ein unendlich anschlussfähiges und damit bisher unbekanntes Innovationspotential auf allen Ebenen von Kultur. Diese Feststellung schließt alle ökonomischen Abläufe beginnend bei der Produktion über die Zirkulation und Distribution sowie die Konsumtion ein. Ein diesbezüglich wichtiges Stichwort ist der increasing return, also die steigenden Grenzerträge. Sie stehen im Gegensatz zu den traditionellen mikroökonomischen Modellen des abnehmenden Grenznutzens und der abnehmenden Grenzerträge. Ein Grund für diesen Wandel ist die Pfadabhängigkeit digitale technologische und ökonomische Prozesse, die erst ab einer gewissen Eigendynamik prognostizierbar sind. Diese Aussagen schließen ein, dass sich auch die Business to Business, die Business to Consumer und die Kommunikation innerhalb der Unternehmen langfristig signifikant verändern.
Den neuen Technologien und den mit ihnen einhergehenden ökonomischen Veränderungen gingen gesellschaftliche Wandlungen voraus, die diese überhaupt erst anschlussfähig machten. Einschlägige Stichworte waren und sind unter anderem Informationsgesellschaft, Risikogesellschaft, Wissensgesellschaft oder postmaterialistische Einstellungen der Generationen Y und Z. Etablierte kulturelle Praktiken und gesellschaftliche Institutionen haben demnach schon lange vor den neuen Technologien, den sich veränderten ökonomischen Gegebenheiten und den sich daraus ergebenen neuen Anforderungen an den Einzelnen viel von ihrer Selbstverständlichkeit und Legitimität verloren. Diese vielfältigen Wandlungen in der Gesellschaft wie in den ökonomischen Prozessen sind ebenso wie der Fortgang der Digitalisierung noch nicht abgeschlossen. Dennoch sind wesentliche Charakteristika der kulturellen und der spezifischen ökonomischen Veränderungen erkennbar. Einige von ihnen werden an dieser Stelle in der Folgezeit näher benannt und skizziert.