(Empirische) Gesetze der Internetökonomie Teil 2, Allgemein

(Empirische) Gesetze der Internetökonomie

Die Mikroelektronik und die Telekommunikation bilden den Kern der Basisinnovationen für die gegenwärtige IT-Revolution. Sie ist technisch durch drei Faktoren bestimmt: die Digitalisierung, die Integration und die Vernetzung. Die für diese Entwicklung notwendigen Rahmenbedingung schuf die Liberalisierung und Deregulierung des TK-Marktes. Die Schnelligkeit der aktuellen Veränderungsprozesse verdeutlichen folgende Zahlen. Nach Mike Baur, CEO der Swiss Startup Group, brauchte die Automobilindustrie etwa 61 Jahre, um 50 Millionen Autofahrer auf die Straße zu bringen, der PC erlangte die gleiche Zahl an Nutzern in 14 und das Internet in nur 7 Jahren. Das Video-Spiel „Pokémon“ erreichte diese Zahl in nur noch 19 Tagen. Die Basisinnovationen der Informationstechnik ergeben sich demnach aus einer Symbiose zwischen Technologie und Wirtschaft. Sie bilden ein Netzwerk, das letztlich immer technisch determiniert ist.

Die an Hand der Zahlen erkennbare rasante technische Entwicklung und die aus ihnen resultierenden wirtschaftlichen Wandlungen erklären zum Teil die bisher genannten empirischen Gesetze der Internetökonomie. Sie beschreiben Probleme der Wettbewerbsintensivierung (Huntley’s Law), der technologischen Innovationskraft im Umfeld der Digitalisierung, die verbunden ist mit einer Miniaturisierung und Integration von Chips, Sensoren usw. in alle menschlichen Lebensbereiche (Moore’s Law), der offenen Architekturen und die damit verbundene digitale Konvergenz (Gilder’s Law) und der steigenden Vernetzungsmöglichkeiten (Metcalf’s Law).

Aus den genannten Gesetzen ergibt sich eine permanente Preiserosion bezogen auf die ständig neuen digitalen Geräte sowie die mit ihnen verbundene Hardware und Software. Insgesamt ist über die letzten Jahrzehnte zu beobachten, dass die digitale Wirtschaft schneller als das Bruttosozialprodukt prosperiert, während alle anderen Wirtschaftszweige langsamer wachsen oder stagnieren – also ihre Gesamtmarktrentabilität sinkt. Vor diesem Hintergrund zählen die großen IT-Firmen wie Google, Apple, Microsoft usw. heute zu den wertvollsten Unternehmen weltweit. Diese Entwicklung ist nicht neu. Ein Blick auf den Aktienkurs etwa der RCA (Radio Corporation of America) in den 1920er Jahren bietet ein vergleichbares Bild. Ständige Innovationen bekommen demnach eine besonders wichtige Bedeutung für den Wert eines Unternehmens. Die Differenzen im Lohnniveau zwischen einfachen (traditionellen) Arbeiten und Beschäftigungen in hochgradig innovativen Unternehmen verdeutlichten schon immer, aber besonders in den letzten Jahrzehnten, die aus den unterschiedlichen Wachstumsprozessen hervorgehenden sozialen Ungleichheiten. Neu ist dagegen die stetig wachsende Komplexität der wirtschaftlichen und sozialen Rahmenbedingungen, die sich in den letzten Jahrzehnten herausgebildet hat.

Die eingangs genannten Beispiele beziehen sich in erster Linie auf b-to-c Prozesse. Die Innovationen auf allen volkswirtschaftlichen Gebieten der letzten Jahrzehnte zeigen, dass die Digitalisierung sich auch auf die Geschäftsprozesse im Bereich b-to-b beziehen, die etwa 80% der Wertschöpfung eines modernen Industrielandes ausmacht. Insofern kommt ihnen eine erheblich größere Bedeutung als dem Consumer-Markt zu. In vielen Bereichen der Volkswirtschaft wird erkennbar, dass mittels digital gesteuerter Prozesse disruptive Technologien infolge bahnbrechender Innovationen entstehen. Am Beispiel des sich seit der Jahrhundertwende ausdifferenzierenden Medienmarktes ist abzulesen, dass die bisherigen Massenproduktionen sich in absehbarer Zeit auf eine flexible, kundennahe, individualisierte Produktionsweise umstellen müssen, um konkurrenzfähig zu bleiben. Eine Basis hierfür bildet die zunehmende Automatisierung ganzer Produktionsabläufe.

Bereits in den 1980er Jahren formulierte Peter Drucker, der sich über Jahrzehnte mit wirtschaftlichen Problemen von Innovationen beschäftigte, das nach ihm benannte Gesetz. Danach müssen neue Produkte etwa zehn Mal besser sein als die bisherigen, um auf den Märkten eine signifikante Position einzunehmen. Allerdings bezog Drucker seinen Innovationsbegriff nicht nur auf die Skaleneffekte, also die Abhängigkeit der Produktionsmenge von der Menge der eingesetzten Produktionsfaktoren. Vielmehr definierte er auch das lebenslange Lernen aller Mitarbeiter von Institutionen in der sich schnell entwickelnden Informationsgesellschaft als signifikanten Produktionsfaktor. Mitarbeiter sind also in seinem Innovationsverständnis kein zu minimierender Fixkostenblock, sondern eine Wertanlage, die die Voraussetzung für unternehmerisches Wachstum bildet. Dies gilt umso mehr, als standardisierte und unflexible Arbeitsprozesse gesamtgesellschaftlich zunehmend der Vergangenheit angehören. Des Weiteren muss sich seines Erachtens das Management von Institutionen sowie diese selbst auf die Bildung von Kompetenzen rund um das Kerngeschäft konzentrieren. Das Geschäft von Unternehmen vereinfacht sich auf diese Weise und das Management kann sich in der notwendigen Tiefe und Breite mit den entscheidenden Geschäftsbereichen befassen. Unter dieser Voraussetzung kann es sich umfänglich auf die Dynamik der sich wandelnden wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Prozesse konzentrieren. Der Innovationsbegriff ist demnach im Drucker’s Law eine Dreiecksbeziehung zwischen Management, Mitarbeiter und herzustellenden Produkten, die stets in Abhängigkeit von der individuellen Nachfrage erzeugt werden müssen. Der überkommenen Angebotsökonomie erteilte er eine strikte Absage.

Alle bisher genannten empirischen Gesetzmäßigkeiten der Internetökonomie bildeten die Marktsituation einschließlich deren Teilnehmer stark aus einer technologischen Perspektive ab. Zugleich bilden sie die Voraussetzung für Arthur’s Gesetz. Es besagt, dass im Rahmen der Internetökonomie zunehmende Grenzerträge (increasing returns) existieren, die zu dominanten Marktstellungen von IuK-Technologien und Netzwerken führen können. Das von Anne Robert Jacques Turgot erstmals formulierte und in der Folgezeit weiter verfeinerte Ertragsgesetz beschreibt in der klassischen Betriebswirtschaftslehre die Relation zwischen Input und Output unter der Voraussetzung, dass sich ein Faktor ändert. Das von dem Franzosen entwickelte Modell besagt, dass der Bodenertrag mit steigendem Arbeitseinsatz zunächst steil, dann langsamer ansteigt, später stagniert und schließlich fällt. Dementsprechend führen negative Rückkopplungen zu a priori berechenbaren Gleichgewichten. Das Gesetz des sinkenden Grenzertrags, das in der Folgezeit weiterentwickelt wurde, findet sich auch in der Produktions-, Lern-, Kosten-, Haushalts- und Diffusionstheorie sowie anderen Bereichen. Für die Informationstechnologie gilt laut Arthur das „Gesetz zunehmender Skalenerträge“. Die Ursachen für den signifikanten Unterschied liegen erstens in der Fixkostendominanz. Das bedeutet, dass die Herstellung von Informationsprodukten hohe Fixkosten verursacht, aber ihre Bereitstellung und Verbreitung im Internet, also die variablen Kosten bzw. Grenzkosten, gegen Null tendieren. Dieses Ungleichgewicht zwischen Fix- und Grenzkosten kann zu einer starken Fixkostendegression führen, wenn ein Produkt stark nachgefragt wird. Damit sinken die Fixkosten pro Stück bei steigenden Produktionszahlen bzw. Abrufen im Netz. Das Gesetz der Fixkostendominanz wird zweitens gestützt durch die Erfahrungskurveneffekte. Danach sinken die realen Stückkosten, wenn sich die Produktionsmenge erhöht und damit die vergleichbaren potentiellen Ertragsspannen wachsen. Eng damit verbunden ist wiederum drittens die Rolle der Lernkosten. Danach sinkt die Fehlerquote der Mitarbeiter mit steigender Ausbringung pro Zeiteinheit infolge häufiger Übung der ihnen zugewiesenen Aufgaben. Dieser aus der Psychologie bekannte Effekt ist durch den Aspekt der Weiterbildung zu ergänzen. Sie bildet die Basis für die Befähigung der Mitarbeiter, auf die in Folge der Digitalisierung permanent verändernden Herausforderungen adäquat reagieren zu können. Die Stärke beider Effekte, die der Erfahrungskurven und der Lernkosten, sind wesentlich von Managementmaßnahmen abhängig und können deshalb nicht als Gesetze definiert werden.

Die Rolle der Netzwerkeffekte im Zusammenhang mit den empirischen Gesetzmäßigkeiten der Internetökonomie wird nach Klärung des Netzwerkbegriffs zu erörtern sein.

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